Portal zur Geschichte der Sozialdemokratie

Linsert, Margot, geb. Scheffter

Geboren:

* 26.02.1909 in Berlin 3, 6

Gestorben:

+ 26.10.2009 in München

Anschrift:

München, Landsberger Str. 362 (1938) 2

Beruf:

Geschäftsinhaberin 2, 3

Linsert, Margot, geb. Scheffter

Mitglied der Widerstandsgruppe „Internationaler Sozialistischer Kampfbund“ (ISK)

Margot Linsert, geb. Scheffter, kam als Mitglied des ISK 1930 aus Berlin nach München, wo sie eine ISK-Jugendgruppe aufbauen sollte. Nach 1933 bildete sie zusammen mit ihrem späteren Mann, mit Ludwig Koch und Hans Lehnert den Kern der Münchner ISK-Widerstandsgruppe. Das Lebensmittelgeschäft des Ehepaares Linsert in München-Laim, das sie führte, war die Anlaufstelle für konspirative Treffen und Nachrichten. Nach dem Krieg berichtete sie, wie untergetauchte auswärtige ISK-Mitglieder bei der ersten Begegnung identifiziert wurden: „Dann war vereinbart, dass sie das Geld so und so hinlegen, und es sind dann welche von uns, oder sie hätten auch sagen können, ich will einen Hutzucker, und das war ja etwas, das nicht mehr ortsüblich war, […] dann wussten wir, das ist jetzt einer von uns und den müssen wir jetzt weiterbefördern, sozusagen" (Seybold, Gedenkrede). Ihre weiteren Widerstandsarbeiten bestanden u.a. darin, dass sie die Flugblätter auf einem Abziehapparat mit herstellte und diese gemeinsam mit ihrem Mann auf den Zufahrtsstraßen zu den Fabriken im Münchner Westen vom Fahrrad herunter verstreute. Ihrem Mann und den anderen Mitgliedern der ISK-Gruppe gelang es, während ihrer Verhöre durch Gestapo und Staatsanwaltschaft die Mitarbeit von Margot Linsert zu verschweigen, so dass sie unbehelligt blieb. Die einzige Ehrung, die sie für ihre Arbeit im Widerstand erhielt, war die Willy-Brandt-Medaille.
Mit 21 Jahren, am 13 Juni 1930, kommt Margot Linsert mit dem Zug aus Berlin in München an. Da ist sie schon Mitglied des Internationalen Kampfbundes und hatte den Auftrag erhalten, eine Jugendgruppe in München aufzubauen. "Der 30. Juni war ein heißer Tag" sagt sie, "überirdisch schön und ich war verlassen und allein. Mit 5 Reichsmark in der Tasche und nur einer einzigen Adresse, die von Anton Ammer am Baldeplatz." Stockend und mit vielen Pausen dazwischen hat sie mir das nach 70 Jahren erzählt, so, als ob sie davon das erste Mal gesprochen hätte.

Wer war diese Frau, die mehr als 6 Jahre Widerstand in München leistete, Flugblätter abzog, sie unter Lebensgefahr verteilte und die im Mittelpunkt eines jahrelang unentdeckten Treffpunkts Illegaler aus ganz Deutschland stand? Es ist heute kaum zu ermessen, was es bedeutete, über einen so langen Zeitraum hinweg illegale Arbeit zu leisten und dabei unentdeckt zu bleiben. Eine Frau, die mehr als tausend Tage Angst durchlebte, fünf ganze unentdeckte Jahre länger als Sophie Scholl und kaum einer weiß von ihr?

Ihre Selbstwahrnehmung, ist wie die vieler mutiger Frauen, voller Widersprüchlichkeit und lautet so: "Ich war immer im Abseits." Gleichzeitig erlebte sie, dass sie "die Genossen im Rücken hatte" setzt ihr Leben ein für eine bessere Welt.

Margot Linsert, geborene Scheffter wurde am 26. Februar 1909 in Berlin geboren. Ihre Mutter war Waschfrau und ihr Vater war ein gelernter Schreiner, der als Taxifahrer arbeiten musste. "Meine Eltern waren immer schon nicht national, sie waren gegen Kaiser und Krieg" fühlten sich dem sozialdemokratischen Arbeitermilieu verbunden, lasen trotzdem "Die Rote Fahne" der kommunistischen Partei, interessierten sich für das Gedankengut der Freidenker und versuchten, ihren Kindern moralische Integrität vorzuleben.

Einem Arbeitermädchen wie Margot Linsert wurde es schwer gemacht. Obwohl sie mit ihrer Freundin, der Jüdin Else Hamburg Klassenbeste war, erhielt sie niemals und von keiner Seite eine Förderung, und immer auf Unterstützung hoffend, engagierte sie sich noch während ihrer Schulzeit, zusammen mit Else Hamburg in der sozialistischen Arbeiterjugend, der Jugendorganisation der SPD, sie war aktiv in der Arbeitersportbewegung in einem der Handballvereine. Typisch für die eher selbstbestimmten Vatertöchter, hatte sie eine enge Beziehung zu ihrem Vater.

Auf meine Frage nach ihrem Beruf hat sie geantwortet: "Beruf ist gut gesagt. In einer Zeit, in der es 10 Millionen Arbeitslose gab, hatte ich mindestens 10 Berufe, ich habe in der Radiofabrik Loewe gearbeitet, im Labor, in einer Schneiderei und ich habe Bonbonbüchsen zukleben müssen…Berufe hatte ich immer nur so lange, solange sie Arbeit hatte."

In dieser Zeit entschloss sie sich zur Mitgliedschaft im ISK, dem internationalen Sozialistischen Kampfbund, einer "nichtmarxistischen, militant sozialistischen Gruppe." Sie nahm an den Gruppenabenden und Schulungen in der Walkemühle bei Kassel teil, engagierte sich in der Öffentlichkeitsarbeit und war Leiterin einer der vielen Jugendgruppen des ISK im Berliner Bezirk Reinickendorf. "Ob ich in Berlin oder München arbeitslos bin, war mir egal" und weil sie "in München jemanden gebraucht haben" begann sie, hier eine Gruppe aufzubauen. Dort traf sie auch Ludwig Koch, der sie, wie gesagt, "zu Linsert gebracht hat." Schnell wurde Ludwig Linsert und sie ein Paar und schnell wurde ihr von Nachbarn die Polizei ins Haus geschickt wegen - so hieß es damals - "Konkubinat". Ludwig Koch erinnerte sich auch an das verliebte Paar: "Einmal war ich bei einem ISK-Parteitag in Braunschweig gewesen. Der Linsert war mit Margot Scheffter, seiner späteren Frau auch dort. Danach sind sie nicht gleich zurückgefahren, sondern noch nach Berlin, um Verwandte von ihr zu besuchen. Als sie zurückkamen, wurden sie ausgeschlossen, wegen mangelnder Disziplin. Daran ist unsere Freundschaft aber nicht gescheitert. Als dann kurz darauf das Dritte Reich kam und die illegale Arbeit anfing", - der ISK w

Weitere Daten

Quellenverweis

Bretschneider, Widerstand

Bretschneider, Heike: Der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in München 1933-1945. Miscellanea Bavarica Monacensia Bd. 4. München 1968

  • Quellenart: Bücher und Broschüren
  • Status: Veröffentlichte Quellen und Literatur

Nerdinger, Ort

Nerdinger, Winfried (Hrsg.): Ort und Erinnerung. Nationalsozialismus in München. Salzburg/München 2006

  • Quellenart: Bücher und Broschüren
  • Status: Veröffentlichte Quellen und Literatur

SZ

Süddeutsche Zeitung

  • Quellenart: Presse
  • Status: Veröffentlichte Quellen und Literatur
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