Portal zur Geschichte der Sozialdemokratie

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Branz, Lotte, geb. Harrich 1

Geboren:

* 05.08.1903 in Regensburg 1

Gestorben:

+ 16.07.1987 in München

Anschrift:

München, Aignerstr. 26d (1933) 1, 3

Beruf:

Branz, Lotte, geb. Harrich

Mitglied der Widerstandsgruppe „Neu Beginnen“, Kurierin der Sopade, nach 1945 Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen

Charlotte Branz, geb. Harrich, kam aus einer bürgerlichen Familie und lernte ihren späteren Ehemann Gottlieb Branz in einer Jugendgruppe kennen. 1926 trat sie in die SPD ein. Nach der Verhaftung ihres Mannes am 30. Juni 1933 plante sie, zusammen mit ihm auszuwandern. Nach Beendigung seiner „Schutzhaft“ im KZ Dachau im Oktober 1933 blieben sie aber in München. Ab 1934 war Lotte Branz Mitglied von „Neu Beginnen“, einer von SPD- und KPD-Mitgliedern im Exil gegründeten Widerstandsgruppe. Von 1934 bis Ende 1937 standen sie und ihr Mann in Verbindung zu dem SPD-Exilpolitiker Waldemar von Knoeringen in der Tschechoslowakei und brachten von dort die Schriften der Sopade nach München; Lotte Branz war auch alleine als Kurierin tätig. Von 1939 bis 1945 war Gottlieb Branz im KZ Buchenwald inhaftiert. In dieser Zeit verdiente sie ihren Lebensunterhalt als Angestellte einer Gärtnereigenossenschaft.

Nach 1945 war sie Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (ASF) und zusammen mit Waldemar von Knoeringen Begründerin der Georg-von-Vollmar-Akademie in Kochel.
"Ich bin 1903 geboren und entstamme einer bürgerlichen Familie. Nach 1919 gab es einen Jugendring in München. Dort habe ich Gottlieb Branz kennengelernt. Es wurde Theater gespielt, Literatur gelesen und politisiert. Gottlieb war 7 Jahre älter, er war seit 1911 in der SPD, ich bin 1926 eingetreten. Gottlieb Branz war schon seit Jahren ein sehr aktiver Genosse und wurde Bibliothekar im Gewerkschaftshaus. Wir besuchten die monatlichen Sektionsveranstaltungen. An die Themen kann ich mich nicht erinnern. Sie waren zu dieser Zeit - 'Gründung Eiserne Front' - sicher vor allem über Terror und Mord des politischen Gegners. 1933 wurde Gottlieb aus dem Gewerkschaftshaus herausgeholt. Alle aus dem Hause mussten auf die andere Straßenseite mit dem Gesicht zur Wand. Darunter war auch Waldemar von Knoeringen. Einige kamen sofort nach Dachau. Gottlieb und W. von Knoeringen noch nicht. Mein Mann wurde etwas später von zu Hause nach Dachau geholt. Waldemar war schon in Österreich. Einige Hausdurchsuchungen hatten wir erst später. Gottlieb war ein Vierteljahr im KZ Dachau. Ich wollte, dass wir auswandern, ich hatte unsere Wohnung gekündigt und ausgeräumt. Als mein Mann von Dachau zurückkam, wollte er aber in München bleiben.

1939 die zweite Verhaftung wurde deshalb möglich, weil auf tschechischer Seite der Grenze ein Spitzel eine Fotografie von einer kleinen stehenden, miteinander sprechenden Gruppe machte. Es waren Gottlieb, Waldemar mit Frau und ich (ich auf dem Foto nicht deutlich zu erkennen). Das war lange vor der Besetzung des Sudetenlandes. Nach zwei Jahren fand die Gestapo heraus, wer der Gesprächspartner Knoeringens war. Die Gestapo verhaftete Gottlieb in unserer Wohnung und bemerkte im Wittelsbacher Palais, dass Gottlieb denselben Anzug trägt, den man auf dem Foto sah. Nach langen Monaten im Gefängnis und nach einem Prozess kam Gottlieb nach Buchenwald, bis zum Kriegsende.

Bis Ende 1937 waren wir mit Waldemar von Knoeringen in Verbindung. Er war für uns eine sehr wichtige Person. Mit Gottlieb ging ich über die Grüne Grenze zu Waldemar und seiner Frau. Wir brachten auch jüdische Bekannte in Sicherheit. Einige Male ging ich auch allein. Wir haben kein Material weitergegeben, sondern nur Mündliches von und an Waldemar von Knoeringen.

Das Verhalten der Genossen in München wurde nicht von einer Gruppe bestimmt, sondern jeder hat selbst entschieden. Die stärker Gefährdeten, wie Hoegner und von Knoeringen, mussten ins Ausland gehen, weil sie sonst getötet worden wären.

Systematische finanzielle Unterstützung von Genossen gab es nicht.

Wir hatten eine Freundin, die mir, als Gottlieb noch im Gefängnis war, aushalf. Ihr Mann, ein orthopädischer Facharzt, wurde in der Kristallnacht geholt und nach Dachau gebracht. Nach zwei Wochen ist er dort gestorben. Meine Freundin wollte, dass ich zur Beerdigung mitkomme. Sie legte ihrem Mann ein schwarz-rot-goldenes Bändchen unter den Kopf. Es waren nur noch der Rabbiner und Polen auf dem Friedhof. Die Freundin riet mir, eine Anstellung zu bekommen. Sie ahnte, dass sie auch nicht mehr lange frei sein wird. Und so war es auch.

Ich arbeitete vom Oktober 1933 bis 1945 in einer Gärtnergenossenschaft.

Gottlieb hat, nach KZ Dachau, als Vertreter gearbeitet. Eine Anstellung konnte er ja nicht bekommen. Er versuchte es erst mit Büchern, dann mit einer Zigarettenfabrik. Wir bekamen große Zigarettenkisten in die Wohnung, die Gottlieb mit einem Genossen, der auch in Dachau war, in die Verkaufsläden brachte. Ich konnte hin und wieder im Büro einer kleinen Firma arbeiten, wenn Urlaubszeit war. Zwischen 1933 und 1939 ist Gottlieb auch noch einige Male verhört, aber nicht verhaftet worden.

Es war eine furchtbare Zeit. Die Frauen von verhafteten Genossen lebten oft in großer Not. Trotzdem wurde ihnen zugemutet, wenn ihre Männer oder Söhne hingerichtet wurden, auch noch die Hinrichtungskosten zu bezahlen. Die Aktivitäten der Weißen Rose halte ich nicht für sinnvoll. Ich meine, dass sich die jungen Menschen umsonst ge

Politischer Werdegang und Funktion in der SPD

SPD ab 1926 1, 2, 4

Weitere Daten

Ehrung

Straßenname in München (Stadtbezirk: Schwabing - Freimann) 1996 2
Lotte-Branz-Straße

Quellenverweis

BayHStA, LEA

Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Landesentschädigungsamt

  • Quellenart: Archivalien
  • Status: Unveröffentlichte Quellen

Dollinger, Straßennamen

Dollinger, Hans: Die Münchner Straßennamen. 6. Aufl. München 2007

  • Quellenart: Bücher und Broschüren
  • Status: Veröffentlichte Quellen und Literatur

Münchner Stadtadreßbuch

Münchner Stadtadreßbuch. Adreßbuch der Landeshauptstadt München Bd. 83 ff. München 1933 ff.

  • Quellenart: Bücher und Broschüren
  • Status: Veröffentlichte Quellen und Literatur
Anmerkungen: in Monacensia, Theresienstr. 23

Akademie Frankenwarte Würzburg, Zeitzeugenberichte

Akademie Frankenwarte Würzburg, Zeitzeugenberichte von Margot (Mary) Fried und Charlotte Branz. Unveröffentlichtes Manuskript vom 12.11.1980

  • Quellenart: Archivalien
  • Status: Unveröffentlichte Quellen

Mehringer, Knoeringen

Mehringer, Hartmut: Waldemar von Knoeringen - eine politische Biographie. Der Weg vom revolutionären Sozialismus zur sozialen Demokratie. Schriftenreihe der Georg-von-Vollmar-Akademie Bd. 2. München/Wien 1989

  • Quellenart: Bücher und Broschüren
  • Status: Veröffentlichte Quellen und Literatur

Asgodom, Maul

Asgodom, Sabine (Hrsg.): "Halt´s Maul - sonst kommst nach Dachau!" Frauen und Männer aus der Arbeiterbewegung berichten über Widerstand und Verfolgung unter dem Nationalsozialismus. Köln 1983

  • Quellenart: Bücher und Broschüren
  • Status: Veröffentlichte Quellen und Literatur