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Der Erste Weltkrieg: Europa, Deutschland und die deutsche Sozialdemokratie

Im Jahr 2014 jährte sich zum 100. Mal der Beginn des Ersten Weltkrieges (1914–1918). Nach wie vor ist dieser Krieg ein Schlüsselereignis, das den Verlauf des 20. Jahrhunderts maßgeblich beeinflusst hat. Und immer noch wird er als Urkatastrophe des letzten Jahrhunderts bezeichnet. Deutschland verlor mit dem Friedensschluss von Versailles auf Jahre hinaus seine Großmachtstellung und der europäische Kontinent seine dominierende Position in der kulturellen, politischen und ökonomischen Weltarchitektur. Der Erste Weltkrieg führte in vielen Teilen der Welt auf der einen Seite zu Krieg, Gewalt und Völkermord, aber auf der anderen Seite auch zu Frieden, Demokratie und beschleunigtem politischen, ökonomischen und kulturellen Wandel. Der Aufstieg der USA zur Weltmacht begann und ebenso der lange dauernde Prozess der Entkolonialisierung.

Anders als etwa Polen, das mit dem Ende des Krieges seine „Wiederauferstehung“ als Nation feierte, kann man für Deutschland geradezu von einem „traumatischen Ereignis“ sprechen. Zunächst führte der Krieg selbst zu enormen menschlichem Leid. Es folgten die Auseinandersetzungen über die Ursache der Niederlage, die Spaltung der deutschen Sozialdemokratie und der Verlust ihrer Glaubwürdigkeit bei vielen Anhängern sowie der gemeinsame Kampf fast aller Deutscher nach Kriegsende gegen die alliierte Feststellung, Deutschland habe diesen Krieg verschuldet und müsse deswegen auch für seine Kosten aufkommen. All dies hat das politische Klima in der Weimarer Republik erheblich vergiftet. Indirekt hat es wohl auch zum Aufstieg des Nationalsozialismus beigetragen.

Der Krieg hat die Geschichte der deutschen Sozialdemokratie tief greifend beeinflusst. Die endgültige Spaltung der Partei während des Krieges ist eine dieser gravierenden Folgen. Umstritten – weil von politischen Standpunkten abhängig – ist, welche Rolle die Partei bei der Unterstützung des Krieges spielte. Verriet sie durch die Bewilligung der Kriegskredite im Parlament ihre großen Ideale? Opferte sie die Internationalität der Nationalität? Verriet die Partei die internationale Solidarität und ihre antimilitaristischen Grundwerte?

Oder aber war die Zustimmung zu den Kriegskrediten die einzig mögliche und vor allem auch die einzig sinnvolle Option? War die Entscheidung der richtige Weg, um in die deutsche Gesellschaft hinein zu wachsen und diese auf diesem Wege zu demokratisieren? Waren ihre Hoffnungen auf mehr Demokratie (vor allem auch in Preußen), die sie glaubte mit der Zustimmung erreichen zu können, wirklich völlig unbegründet? Bedeutete diese Entscheidung nicht das Ende der jahrzehntelangen Ausgrenzung und war allein schon deswegen notwendig, sinnvoll und „richtig“?

Das sind wichtige Fragen, die es – unabhängig von Jubiläen wie Kriegsausbruch oder 150. Geburtstag der SPD – immer wieder lohnt zu stellen. Von besonderer Bedeutung dürfte wohl sein, dass es in der deutschen Geschichte nur wenige historische Erinnerungsorte wie den Beginn des Ersten Weltkrieges gibt, bei dem europäische und deutsche Geschichte sowie die Geschichte der Sozialdemokratie so intensiv miteinander verschmelzen.

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