Portal zur Geschichte der Sozialdemokratie

Tanzmeier, Karl 1

Geboren:

* 31.08.1898 in München 2, 9

Gestorben:

+ 20.11.1975 in Alling, Lkr. Fürstenfeldbruck

Anschrift:

München, Birkenplatz 2 (1933) 2, 9

Beruf:

Kaufmann 9
Angestellter 2, 5, 9
Angestellter 5, 9

Tanzmeier, Karl

Mitglied der SPD und des Reichsbanners. KZ Dachau 1933-1935. Schwere Misshandlungen im KZ Dachau. Nach 1945 öffentlicher Ankläger einer Münchner Spruchkammer.

Schon vor der Machtübernahme war Karl Tanzmeier bei seiner Beförderung zum Leiter der Anweisungs- und Auszahlungsstelle beim Münchner Arbeitsamt von den Nationalsozialisten im „Münchner Beobachter“, der Lokalbeilage des „Völkischen Beobachters“ attackiert worden, weil er einem Mitglied der Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation (NSBO) vorgezogen wurde. Er wurde als erster von 24 SPD- und KPD-Mitgliedern bei der Verhaftungsaktion der SA und SS am 11.3.1933 im Arbeitsamt festgenommen. Über seine Gefangennahme schrieb er u.a.: „Ich wurde im Triumpfzug durch die Stadt gezerrt, von der Menge wurde ich geohrfeigt, beschimpft und mit Fußtritten bearbeitet. Sie zogen mich zum Sendlinger-Tor-Platz, 2 Mann holten mich aus dem Zug und warfen mich in den Brunnen. […] Darauf wurde ich zum Braunen Haus gebracht. […] Im Keller wurde ich geschlagen, sodass ich blutüberströmt war“ (StAM, SpKA 1249). Nach dem Gefängnisaufenthalt im Polizeipräsidium und im Gefängnis München-Stadelheim war er vom 31.3.1933 bis zum 4.3.1935 in „Schutzhaft“ im KZ Dachau. Dort wurde er unter dem falschen Vorwand, Arbeitsamtsdirektor gewesen zu sein und Geld veruntreut zu haben, mehrmals schwer misshandelt und gequält. Er schilderte den KZ-Aufenthalt: „Ich wurde der Strafkompanie zugeteilt (Straßenbau). […] Mit Genossen Rosshaupter musste ich die Aborte der SS mit den Händen entleeren. Iwan d. Schreckliche [=Hans Steinbrenner; Auskunft der KZ-Gedenkstätte Dachau] hat uns Kot in den offenen Mund geworfen und wir mussten den schlucken. Ich schaute dann, dass ich von der Strassenbaukompanie wegkam. […] Die SS merkte, dass ich nicht mehr dort bin, und als Arbeitsamtsdirektor kam ich wieder zur Strafkompanie u. zwar bis zu meiner Entlassung 1935“ (StAM, SpKA 1249). Nach der Entlassung aus der „Schutzhaft“ war er bis Kriegsende arbeitslos.

1945 wurde er erneut beim Arbeitsamt angestellt. Bis 1948 war er Öffentlicher Ankläger einer Spruchkammer in München.

Politischer Werdegang und Funktion in der SPD

SPD 5, 9
Schriftführer Sektion München - Harlaching 5

Verfolgung

Verhaftung am 11.03.1933 1, 4, 5, 7, 8, 9, 10, 11
Er war schon vor der Machtübernahme anlässlich seiner Beförderung zum Leiter der Auszahlungsstelle von den Nationalsozialisten publizistisch attackiert worden.Am 11.03.1933 war er das erste Opfer der Verhaftungen im Arbeitsamt München , noch vor Beginn der Aktion der SA.Er berichtete in einem Entnazifizierungsverfahren:Er wurde bereits um 10.30 Uhr am Schreibtisch durch die SS verhaftet. Zuvor hatte er einen Anruf erhalten, ob der Abteilungsleiter selbst am Apparat sei; auf seine bejahende Auskunft hin wurde am anderen Ende aufgelegt. Er vermutete, dass der NSBO-Betriebszellenleiter im Arbeitsamt, Karl Eggers, der Initiator des Überfalls auf das Arbeitsamt gewesen sei. Kurz vor 9 Uhr wurde er von einem Kollegen gewarnt, dass die Verhaftung unmittelbar bevorstehe. Als er abgeführt wurde, sah er Eggers an einer Treppe im Amt stehen. Unter Bewachung von sechs SS-Leuten betrat er die Straße; dort war bereits eine größere Menschenmenge versammelt, die rief: „Erschlagt ihn, den roten Bonzenhund." Tanzmeier nahm an, dass Eggers die Menge zuvor aufgehetzt habe. [5]Aussage von Karl Tanzmeier in einem weiteren Spruchkammerverfahren:„Gegen ? 9 kamen Beamte der OKK und warnten mich, sie hätten gehört, ich solle verhaftet werden mit Ruf und Neuburger. Ferner sagten sie, man spräche in der OKK, dass das Arbeitsamt ausgeräumt werden solle. Gegen ? 10 kamen zwei SS-Leute und sagten, ich sei verhaftet, bei Fluchtgefahr würde ich erschossen.“ [8]
Schutzhaft 3, 4, 5, 6, 9
Wildes Gefängnis im Braunen Haus, Brienner Straße vom 11.03.1933 bis 14.03.1933
Gefängnis der Polizeidirektion München, Ettstraße vom 11.03.1933 bis 18.03.1933
Gefängnis München-Stadelheim vom 18.03.1933 bis 31.03.1933
KZ Dachau vom 31.03.1933 bis 04.03.1935
Häftlingsnummer 153
Aussage Tanzmeiers in einem Spruchkammerverfahren:„Ich wurde im Triumpfzug [!] durch die Stadt gezerrt, von der Menge wurde ich geohrfeigt, beschimpft und mit Fußtritten bearbeitet. Sie zogen mich zum Sendlinger-Tor-Platz, 2 Mann holten mich aus dem Zug und warfen mich in den Brunnen. Ich war ganz durchnässt, als ich wieder herauskam; meinen Mantel und Hut durfte ich gar nicht mitnehmen. Darauf wurde ich zum Braunen Haus gebracht. Dort wurde ich zur Wache geführt und dann in den Keller gebracht. Im Keller wurde ich geschlagen, sodass ich blutüberströmt war. Ich erlangte erst am Sonntag Morgen wieder das Bewusstsein. 2 SS Männer kamen und haben mich verbunden, ich hab sie gebeten mich zu erschießen, wurde aber dann in die Ettstraße gebracht. Um 5 Uhr kam ein SA Mann, öffnete die Klappe und schrie herein, um 5 Uhr zur Erschießung. Währenddem [!] wurde mir von einem Polizisten ein Apfel gegeben, dieser war von Herrn Dir. Adam. Ich habe den Polizisten gefragt, ob ich um 5 Uhr erschossen werde, er antwortete wir haben keine Macht, die SA hätte das Polizei-Präs. Besetzt. Ich wurde dann nach Stadelheim überführt, dort war ich einige Tage und kam dann mit dem ersten Transport Nr. 17 nach Dachau. Ich war der erste Sozi in Dachau, sonst lauter Kommunisten. Die ersten Tage waren einigermassen [!] erträglich, das Lager war damals noch von der Röm-Polizei[!] besetzt." [5]
Misshandlung 5, 9
Tanzmeier wurde im KZ Dachau dem Straßenbaukommando zugeteilt, das schwerste Arbeiten zu verrichten hatte (u.a. an der Straßenwalze). Er musste die Aborte der SS-Wachmannschaften mit bloßen Händen entleeren und wurde mehrfach schwer misshandelt, dabei wurden ihm etwa 20 Zähne ausgeschlagen. An Weihnachten 1934 musste er für 7 Tage in den "Bunker", weil er sich geweigert hatte, ein Weihnachtspäckchens von "Schwester Pia" (Eleonore Baur) anzunehmen, die Sozialfürsorgerin im KZ Dachau und eine fanatische Nationalsozialistin und Blutordensträgerin war.Im Sommer 1934 kam ein Sturmführer der SS in das KZ Dachau und erkundigte sich nach dem Arbeitsamtsdirektor, als den man ihm Tanzmeier präsentierte. Der SS-Mann hielt ihm vor, er sei derjenige, der das Tragen von SS-Uniformen vor der Machtübernahme im Arbeitsamt verboten habe. Auf seine Antwort, davon sei ihm nichts bekannt, sei er angebrüllt worden, dass die Parteigenossen, die dies berichtet hatten, nicht lügen würden. Er wurde daraufhin von SS-Personal derart geschlagen, dass er in seine Baracke zurück getragen werden musste. Tatsächlich habe er einmal einen Kollegen im Arbeitsamt angesprochen, dass das Tragen einer SS-Uniform gegen eine VO des Reichsarbeitsministeriums verstoße. Ob dies der o.a. Sturmführer war, könne er nicht sagen."Es hiess [!] wo ist der Arbeitsamtsdirektor, ich meldete mich nicht, weil ich nur Abteilungsleiter war, es wurde mein Name gerufen und ich musste ein Schild tragen „Der Arbeitsamtsdirektor“, ich musste mir auch sagen lassen, dass ich ein Monatsgehalt von 2000.— hatte und ausserdem [!] 200 000.—RM unterschlagen habe, daraufhin habe ich mich gerührt und wurde geschlagen. Ich möchte bemerken, dass die Lagerführer das alles nicht wissen konnten, dass ich im Arbeitsamt war und angebl. Direktor bin.Ich wurde der Strafkompanie zugeteilt (Straßenbau). Ich musste die schwersten Arbeiten verrichten. Mit Genossen Rosshaupter [!] musste ich die Aborte der SS mit den Händen entleeren. Iwan d. Schreckliche [Hans Steinbrenner; Auskunft der KZ-Gedenkstätte Dachau] hat uns Kot in den offenen Mund geworfen und wir mussten den schlucken. Ich schaute dann, dass ich von der Strassenbaukompanie [!] wegkam, ein Genosse, der die Schreinerei unter sich hatte, versuchte das auch. […] die SS merkte, dass ich nicht mehr dort bin, und als Arbeitsamtsdirektor kam ich wieder zur Strafkompanie u. zwar bis zu meiner Entlassung 1935.“ „[…] Es war im Okt. oder Sept. 33, da kam ein Sturmführer, der besichtigte das Lager und rief, der Arbeitsamtsdirektor ans Tor. Wir hatten noch einen Arbeitsamtsdirektor, einen wirklichen Direktor aus Nürnberg, er war auch am Tor, der Sturmbannführer sagte aber nein, der ist es nicht. Meine Genossen sagten zu mir, nein, Du bist gemeint, Dich geht es an, Du musst zum Tor vor. Ich wusste, wenn man ans Tor musste, so kam man nicht mehr zurück. Als ich vorkam, waren mehrere SS Männer da, in der Mitte der Sturmführer, er sagte feierlich, er ist es. Ich möchte vorausschicken, dass lt. Verordnung des Arbeitsamtes das Betreten der Kassenhalle von Uniformierten gleich welcher Art verboten war. Dieser Sturmführer hat mir erklärt, dass ich ihn durch die Polizei aus der Kassenhalle hinaustransportieren [!] liess [!]. Es konnte möglich gewesen sein, aber ob es dieser Mann war, weiss [!] ich nicht. Glauben sie, dass mich ihre Genossen im Arbeitsamt anlügen, ausserdem [!] haben sie 200 000,-- RM unterschlagen. Ich glaube, dass diese Meldung auch durch den Radio bekannt gegeben wurde. Ich wollte mich zur Wehr setzen, wurde aber geschlagen und kam 7 Tage in den Bunker. Es war ein Raum wo man nur stehen konnte. Alle 3 Tage bekamen wir Brot und Wasser. Am 7. Tag war ich fast erblindet und matt, ich bin umgefallen." [5]
Entlassung aus politischen Gründen nach dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (GWB) am 30.06.1933 9
Arbeitslosigkeit aus politischen Gründen nach der Entlassung aus der Schutzhaft bis Juli 1935 9

Weitere Daten

Schadenskategorie
  • Schaden an Freiheit
  • Schaden im beruflichen und wirtschaftlichen Fortkommen
  • Schaden an Körper und Gesundheit
Quellenverweis

MB/VB

Münchener Beobachter (Lokalbeilage des Völkischen Beobachters)

  • Quellenart: Presse
  • Status: Veröffentlichte Quellen und Literatur

BayHStA, LEA

Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Landesentschädigungsamt

  • Quellenart: Archivalien
  • Status: Unveröffentlichte Quellen

StAM, JVA München

Staatsarchiv München, Justizvollzugsanstalt München

  • Quellenart: Archivalien
  • Status: Unveröffentlichte Quellen

StAM, PolDir

Staatsarchiv München, Polizeidirektion

  • Quellenart: Archivalien
  • Status: Unveröffentlichte Quellen

StAM, SpKA

Staatsarchiv München, Spruchkammerakten

  • Quellenart: Archivalien
  • Status: Unveröffentlichte Quellen

KZ-Gedenkstätte Dachau, Häftlingsdatenbank

KZ-Gedenkstätte Dachau, Häftlingsdatenbank

  • Quellenart: Archivalien
  • Status: Unveröffentlichte Quellen

StAM, SpKA

Staatsarchiv München, Spruchkammerakten

  • Quellenart: Archivalien
  • Status: Unveröffentlichte Quellen

StAM, SpKA

Staatsarchiv München, Spruchkammerakten

  • Quellenart: Archivalien
  • Status: Unveröffentlichte Quellen

BayHStA, LEA

Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Landesentschädigungsamt

  • Quellenart: Archivalien
  • Status: Unveröffentlichte Quellen

StAM, SpKA

Staatsarchiv München, Spruchkammerakten

  • Quellenart: Archivalien
  • Status: Unveröffentlichte Quellen

MB/VB

Münchener Beobachter (Lokalbeilage des Völkischen Beobachters)

  • Quellenart: Presse
  • Status: Veröffentlichte Quellen und Literatur