Portal zur Geschichte der Sozialdemokratie

Neumann, Ernst Dr.

Geboren:

* 08.12.1895 in Littau (Mähren), Litovel Tschechien 5

Gestorben:

+ 08.01.1981 Nürnberg

Anschrift:

Eger/CSR heute Cheb/CSR

Beruf:

Neumann, Ernst Dr.

Mit dem Bericht über das Leben und Leiden des Genossen Dr. Ernst Neumann (geb. am 8. 12. 1895 in Littau, gest. am 8. 1. 1981 in Nürnberg) beginnt „Nürnberg morgen" eine Serie über Sozialdemokraten im Widerstand. Weil wir wissen, dass die Leiden von gestern die Geschichte von heute sind. Und weil wir hoffen, dass ein geschichtsbewusstes Volk eher davor gefeit ist, die Fehler der Geschichte noch einmal zu wiederholen.

Ernst Neumann ist in die Verfolgungen der sozialistischen Arbeiterbewegung buchstäblich hineingeboren worden. Der Großvater, Mitbegründer der Sozialdemokratischen Partei, stand 1848 bei den aufständischen Webern seinen Mann. Der Vater, ebenfalls ein Sozi, wurde von der österreichischen Polizei gejagt. Aus Wien ausgewiesen, emigrierte der Vater in die Schweiz, nach Frankreich und Deutschland und fand Ruhe erst in Aussig, in Böhmen, als Redakteur des „Volksrecht".

In Aussig wuchs Sohn Ernst heran. 1914-18 ist er Soldat, anschließend studiert er in Prag und Wien Medizin. 1930 wird er Chefarzt der Bezirkskrankenkasse in Eger. Die Weltgeschichte holt den Genossen Neumann ein. Nach dem Münchner Abkommen von 1938 wird Ernst Neumann gefeuert. Seine Frau, eine Jüdin, kann vorerst in Aussig untertauchen. Die beiden schulpflichtigen Töchter können sich über die Schweiz nach England retten.

Dr. Ernst Neumann wird auf Betreiben eines SS-Mannes von einem Jugendlichen und einer Geistesgestörten bei der Gestapo denunziert.

Doch die Anklage ist so wackelig, dass das Sondergericht in Eger nicht die geforderte Todesstrafe aussprechen mag, sondern „lediglich" auf zwei Jahre Gefängnis erkennt. Neumann verbüßt sie in Eger und Bautzen.

Das Gefängnis war das Vorspiel; das eigentliche Martyrium beginnt nach der Entlassung. Die SS verschleppt ihn in die KZ's Oranienburg-Sachsenhausen, Berlin-Lichterfelde und schließlich in das Lager Heinckelwerk-Sachsenhausen, in dem er als Häftlingsarzt die ganze Brutalität des Naziterrors erdulden muss.

Am 20. April 1945 wird das Lager vor den herannahenden Russen geräumt. Die Häftlinge werden nach Kiel getrieben. Tausende werden ermordet. Tausende erliegen den Strapazen. Neumann überlebt. In Mecklenburg befreien ihn die Sowjets.

Die Rückkehr nach Eger ist für Ernst Neumann eine bittere Enttäuschung. Die Wohnung ist geplündert. Jeder Deutsche, auch ein Mann des Widerstandes, stößt auf den Hass der Tschechoslowaken, die im Dritten Reich geschunden und gepeinigt wurden. Man verwehrt ihm die Rückkehr in den Beruf, man verbietet ihm die Ausreise. Und nicht einmal die Tochter darf Dr. Ernst Neumann besuchen.

In Eger gewinnt Neumann die traurige Gewissheit, dass seine Frau 1944 in Aussig verhaftet und in das Vernichtungslager Auschwitz verbracht wurde. In der Gaskammer verliert sich ihre Spur.

1963 erkrankt Dr. Neumann schwer. Er muss sich einer Magenoperation unterziehen. Englische Freunde erreichen seine Ausreise in die Bundesrepublik. Deutsche Sozialdemokraten verschaffen dem todkranken Mann eine Bleibe in Nürnberg.

Bei der Jubilarfeier im vergangenen Jahr konnte Nürnbergs Partei dem fast 85jährigen Dank sagen für 60jährige Mitgliedschaft. Am 14. Januar 1981 nahmen wir von dem Genossen Neumann für immer Abschied.

Politischer Werdegang und Funktion in der SPD

SPD ab 1919 4

Verfolgung

Verhaftung am 09.03.1941 durch Gestapo in Eger 2
Anzeige durch Josef Ficker und seiner Zeugin Slansky und Franz Krämer
Prozess 2, 3
Landgericht Eger
Der Anzeiger Ficker "beantragte Todesurteil"
Urteil vom 25.07.1941: Fortgesetztes Vergehen gegen das Heimtückegesetz
Strafmaß: Gefängnis 2 Jahre
Prozess 3
Ärztliches Bezirksgericht der Ärztekammer im Sudetenland
Urteil vom 07.03.1943: Vergehen gegen das Heimtückegesetz
Strafmaß: Entzug der Arztzulassung
und
Aberkennung des Doktortitels
Strafhaft 2
Gefängnis Eger ab Juli 1941 bis Mai 1942 10 Monate 2
Gefängnis Bautzen ab Mai 1942 bis Juli 1943 14 Monate 2
Degradierung vom Oberleutnant zum gewöhnlichen Soldaten durch das Miltärgericht 2
Wehrunwürdigkeit auf Dauer vom Militär ausgeschlossen
Verhaftung nach Haftentlassung vor Eingangstür des Gefängnisses Bautzen Juli 1943 durch Gestapo 2
Haft 2
KZ Oranienburg-Sachsenhausen ab Juli 1943 2, 5
KZ Berlin-Lichterfelde 15.08.1944 3
KZ Klinkerwerk/Heinkelwerk-Sachsenhausen bis 20.04.1945 5
Todesmarsch nach Auflösung des Lagers vor Einmarsch der russischen Armee in Richtung Kiel am 20.04.1945 5

Weitere Daten

Schadenskategorie
  • Gewaltanwendende Tatbestände
  • Schaden an Freiheit
Quellenverweis